Barbara Eichinger
Langeweile, Film, Jugend. Zur Historizität einer Projektion
barbara.eichinger[at]univie.ac.at
Das Forschungsprojekt untersucht das kulturelle Dispositiv „Langeweile, Film, Jugend“ und analysiert seine gesellschaftliche Konstruktion, Artikulations-, Interpretations- und Zuschreibungsmechanismen im historischen und kulturellen Kontext. Auf Grundlage der Darstellung der Historizität der Langeweile steht die Analyse des Dispositivs „Langeweile, Film, Jugend“ in vier, aus einem breiten Filmbestand nach bestimmten Kriterien ausgewählten Filmen, im Zentrum: BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER (DDR 1957, Gerhard Klein); ELEPHANT (USA 2003, Gus Van Sant); SUICIDE CIRCLE (Japan 2002, Sion Sono); NORIKO’S DINNER TABLE (Japan 2005, Sion Sono).
In einem ersten, diskursanalytischen Teil wird die Entwicklung der Bedeutungsspektren der Langeweile im englischen, deutschen und französischen Sprachraum seit dem 17. Jahrhundert untersucht und dargestellt. Unter Berücksichtigung der kontextabhängigen Unterschiede der Artikulation der Langeweile kann festgestellt werden, dass sie immer als Distanzierung des Subjekts zu seiner Umwelt zu lesen ist. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde Langeweile meist als gesellschaftliches Dispositiv verhandelt – z. B.: In der Literatur und Essayistik schoben VertreterInnen einer sozialen Klasse einer anderen die Langeweile zu oder beanspruchten sie für sich, um damit ein politisches Statement abzugeben.
Mit der Entwicklung moderner Lebenswelten erweiterte sich das Bedeutungsspektrum der Langeweile mit der Faszination an Wahrnehmungsirritationen des urbanisierten Subjekts und seinen „experiences without qualities“ (Goodstein 2005). Um 1870 intensivierten die sich legitimierenden Sozialwissenschaften wie auch die Psychologie (v. a. in der Experimentalpsychologie) ihre Forschungen am „gelangweilten“ Subjekt. Beispiele aus der Literatur wie Patientenberichte zeigen, dass die Langeweile meist in Metaphern beschrieben wurde: „Blicke wie durchs Spinnengewebe“, „Nebel vor den Augen“, aber auch der „Verlust des Selbst“ oder „die ständige Selbstbeobachtung, als sich nicht zugehörig fühlend“ wurden beklagt. Zur selben Zeit erstarkte das Interesse an einer anderen Wahrnehmungsirritation: der Depersonalisation, deren Symptome, so eine These dieser Arbeit, beinahe identisch sind mit jenen, die die Langeweile charakterisieren und die insbesondere in der Adoleszenz auftreten.
Das Medium Film ist von Beginn an das grundlegende Analysematerial der Arbeit. Die Forschungsarbeit versteht Film zwar auch als Seismograf und „interlocutor“ gesellschaftlicher Bewegungen, fokussiert aber die künstlerischen Möglichkeiten des Films, Vorstellungen und künstlerische wie gesellschaftliche Konstruktionen von Langeweile visuell zu verhandeln. Analysiert werden die ausgewählten Filme entlang der aus dem ersten Teil der Arbeit entwickelten thematischen Aspekte „Langeweile als gesellschaftliches Dispositiv“ und „Langeweile als subjektives Wahrnehmungsphänomen“ und mit der Projektion „Jugend“ ihrer Entstehungszeit in Bezug gesetzt.
Barbara Eichinger
Lebenslauf
seit 10/2007 Fellow am Initiativkolleg Sinne – Technik – Inszenierung: Medien und Wahrnehmung, Universität Wien
07/2010 Abschluss des Doktoratsstudiums mit ausgezeichnetem Erfolg, Dissertation: Langeweile. Film. Jugend. Zur Historizität einer Projektion
seit SS 2009 Lehrbeauftragte am Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
2005 - 2008 Tutorin am Institut für Zeitgeschichte, Schwerpunkt Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte, Universität Wien
06/2005 - 09/2007 Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte, Schwerpunkt Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte, Universität Wien
04/2004 Abschluss des Magisterstudiums mit ausgezeichnetem Erfolg, Diplomarbeit: Der Aufbau-Verlag Berlin im Wandel der Geschichte – Mit Schwerpunkt auf den 1950er Jahren unter der Leitung von Walter Janka
1999 - 2004 Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Deutschen Philologie an der Universität Wien
1998 - 1999 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien
Auslandsaufenthalte
07/2008-08/2008, Visiting scholar an der DEFA Film Library, University of Massachusetts, Amherst (USA), http://www.umass.edu/loop/people/articles/77258.php
03/2004 -12/2004 Volontariat im Lektorat für Deutsche Gegenwartsliteratur im Aufbau-Verlag, Berlin
08/2003-12/2004 Forschungs- und Arbeitsaufenthalt in Berlin
Stipendien/ Förderungen
FWF-Förderung für die Publikation: Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation, Zionismus, Antisemitismus, Wien: Böhlau 2009.
07/2008-08/2008 Stipendium der Universität Wien für "kurzfristiges wissenschaftliches Arbeiten im Ausland" (KWA) für den Forschungsaufenthalt an der DEFA Library, University of Massachusetts Amherst.
11/2006-11/2007: Wissenschaftsstipendium an junge AkademikerInnen der Stadt Wien für die Durchführung des Forschungsprojektes Wien als Wiege des Jüdischen Films
8/2003-2/2004: Stipendium der Niederösterreichischen Landesregierung für die Forschungsarbeit in Berlin zum Aufbau-Verlag (Preußische Staatsbibliothek zu Berlin)
Konferenzkonzeption und -organisation
09/2007 - 12/2007: Wissenschaftliche Konzeption der Internationalen Konferenz Von der Vision zur Realität: Film im Sozialismus – die DEFA, mit Frank Stern, http://www.univie.ac.at/zeitgeschichte/veranstaltungen/a-07-12-01.pdf
10/2006-4/2007: Organisation und Realisation der Internationalen Konferenz Wien und die Jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation, Antisemitismus, Zionismus, Universität Wien 19.-22.3.2007, http://www.univie.ac.at/zeitgeschichte/veranstaltungen/a-07-03-1.pdf
Vorträge „Gegenbilder of History“, im Rahmen der GSA-Conference „Re-evaluating DEFA-Cinema“, Oakland (USA) im Oktober 2010, Paper angenommen. „Bored Youth? Artikulationsvarianten der Langeweile, im Rahmen der Abschlusstagung Sinne – Technik – Inszenierung, Universität Wien, 9.-10.6.2010 „Kommt her, und seht zu wie ich mich töte!“ – „Jugend“ als Projektionsfläche in japanischen Trashfilmen ab 2000, Universität Wien, 7.6.2010. „Gegenbilder von Geschichte? ,Wende-‚ und Undergroundfilme der DDR“, im Rahmen der Kinotage Flüchtige Räume, Initiativkolleg Sinne – Technik – Inszenierung: Medien und Wahrnehmung, Universität Wien, Top-Kino, 8.5.2010. „Von Entgegenstellungen, verlorenen Gewissheiten und Bildern des ,Gebrauchs’ im Zeitalter des Web 20.0“, im Rahmen der Veranstaltung: EKPHRASIS oder Bourdieus Soziologie der Kunstwahrnehmung; Institut für Kulturwissenschaften (IFK), Wien, 6.5.2010. „Vortrag zu Winter Adé (DDR 1987/88, Helke Misselwitz) im Filmhaus am Spittelberg, Wien, 6.5.2010. „So tun als ob ich bin – Interpassivität und Depersonalisation. Eine Annäherung“, im Rahmen der Konferenz: Wir sind nie aktiv gewesen. Interpassivität in Theorie und Praxis, Leipziger Forschungsgruppe Soziales, Leipzig, 19.2. 2010.
"Einführung zu Die Bilder des Zeugen Schattmann/ Teil 1. Der Freitagabend (DDR 1971/72), im Rahmen von kinokis mikrokino # 150, 6.03.2008. "Die Besteigung des Chimborazo oder eine Reise durch Jahrhunderte, politische Systeme und Kontinente", im Rahmen der Internationalen Konferenz: Von der Vision zur Realität. Film im Sozialismus – Die DEFA, Universität Wien, 9.-10.12.2007.
“Because we can" – Stereotypen auf Wanderschaft, im Rahmen des ROBÖXOTICA – Festival für Cocktailrobotik, Museumsquartier, 16.-20.11.2005.
Moderation
Vortrag von „Möglichkeiten und Grenzen der Visual History“ von Dozent Siegfried Mattl im Rahmen der Vortragsreihe Sinne-Technik-Inszenierung: Medien und Wahrnehmung, Universität Wien, am 12.1.2010.
Konferenz Zeit-Zone ´38. Filmische Quellen - historische Perspektiven - aktuelle Debatten, 11.-12.03.2008, Metro Kino; Eröffnungspanel.Publikationen Herausgeberschaften Film im Sozialismus – Die DEFA, hg. mit Frank Stern. Wien: Mandelbaum 2009. Wien und die jüdische Erfahrung. 1900-1938. Akkulturation, Zionismus, Antisemitismus, hg. mit Frank Stern. Wien: Böhlau 2009. Filmische Gedächtnisse. Geschichte-Archiv-Riss, hg. mit Frank Stern, Julia B. Köhne, Karin Moser, Thomas Ballhausen, Wien: Mandelbaum ÖH-edition 2007. Die Tatsachen der Seele. Arthur Schnitzler und der Film, hg. mit Karin Moser, Thomas Ballhausen und Frank Stern, Wien: Verlag Filmarchiv Austria 2006. Aufsätze „,Never stop acting, even in your sleep.’ Inszenierungen von Depersonalisation und Langeweile”, in: Sinne. Technik. Inszenierung, (= Maske und Kothurn. Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft), Heft 2, Jg. 2010, S. 41-52. "Because we can -?", in: Public Fictions. Wie man Roboter und Menschen erfindet, hg. von Günther Friesinger, Karin Harasser, Innsbruck: Studien Verlag/ Skarabeus 2009, S. 96-104. "Die Besteigung des Chimborazo oder eine Reise durch die Jahrhunderte, politische Systeme und Kontinente", in: Film im Sozialismus - die DEFA, hg. mit Frank Stern, Wien: Mandelbaum 2009, S. 182-200. "Visionen, Realitäten und die Mühen der Ebenen", in: Film im Sozialismus – die DEFA, hg. mit Frank Stern, Wien: Mandelbaum 2009, S. 9-27. "Zwischen Kontinenten, Film und Realität – Der Regisseur Rainer Simon zu seinen Filmproduktionen" (Interview), in:Film im Sozialismus – die DEFA, hg. mit Frank Stern, Wien: Mandelbaum 2009, S. 201-235. "Einleitung: Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938", gemeinsam mit Frank Stern, in: Wien und die jüdische Erfahrung. 1900-1938. Akkulturation, Zionismus, Antisemitismus, hg. mit Frank Stern. Wien: Böhlau 2009, S. xviii-xxv. "Broken Memories. Die DVD des Kultfilms Suicide Circle und die Medialisierung des kulturellen Gedächtnisses." In: Filmische Gedächtnisse. Geschichte-Archiv-Riss, hg. von Thomas Ballhausen, Barbara Eichinger, Julia B. Köhne, Karin Moser, Frank Stern, Wien: Mandelbaum ÖH-edition 2007. S. 230-259. "Komm, spiel’ zum Tod im Morgengrauen – ‘Lieb’ und Spiel und Tod’ im Werk Arthur Schnitzlers und seinen Visualisierungen." In: Wie Fräulein Else laufen lernte – Arthur Schnitzler und der Film, hg. von Barbara Eichinger, Karin Moser, Thomas Ballhausen, Frank Stern. Wien: Verlag Filmarchiv Austria 2006. S.247-267. Gegenbilder von Geschichte oder die Jagd nach dem Kaninchen, Rezension zu: Tobias Ebbrecht, Hilde Hoffmann, Jörg Schweinitz (Hg.): DDR – erinnern vergessen. Das visuelle Gedächtnis des Dokumentarfilms, Marburg: Schüren 2009, in: kolik.Sonderheft 13/2010, Wien, S. 133-134. Jeder Stillstand wird G/geschehen, Rezension zu: Butis Butis (Hg.): Stehende Gewässer, Medien der Stagnation, Zürich, Berlin: diaphanes 2007. www.diaphanes.de/pdfs/Gewaesser_rezens.pdf Maskeraden. NS-Unterhaltungskino. In: Filmarchiv Austria, Nr. 52, 4-5/08 Die Tatsachen der Seele. Arthur Schnitzler und der Film. In: Filmarchiv Austria, Nr. 39, 12/06 – 01/07 Louise Brooks. Tribute zum 100. Geburtstag 4. bis 22.11.2006. In: Filmarchiv Austria, Nr. 38, 11/06 Billy Wilder. In: Filmarchiv Austria, Nr. 34, 06-07/06 Sex is cinema. Aufklären und Aufbegehren im Film der 1920er und 1930er Jahre. In: Filmarchiv Austria, Nr 31, 03/06
Rezensionen
Beiträge zu Filmretrospektiven
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